Reverse Charge – Umkehr der Steuerschuld

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Reverse Charge – Umkehr der Steuerschuld

Kennen Sie diesen Fall? Sie haben eben eine Rechnung von Ihrem Bauunternehmer aus dem Ausland erhalten und sehen sich die Beträge einmal genauer an. Auf der Rechnung ist aber keine Umsatzsteuer angegeben, stattdessen steht irgendwo klein „Reverse Charge“ auf der Rechnung vermerkt. Ist das nun korrekt, und was genau müssen Sie jetzt machen?
Dieser Artikel ersetzt natürlich keine steuerliche Beratung, er soll Ihnen jedoch eine gute Orientierung im Alltag geben.

Was bedeutet „Reverse Charge“?

Das Wort „Reverse“ hat seinen Ursprung im Lateinischen und bedeutet so viel wie „umkehren“ oder „zurückwenden“. Dies wurde später ins Englische übernommen und somit verstehen wir im Steuerkontext unter „Reverse Charge“ wörtlich die „umgekehrte Belastung“ oder „umgekehrte Verrechnung“.
Das heißt für Sie in der Praxis, dass die Steuerschuld umgedreht wird – mit dieser Sonderregelung im Steuergesetz zahlt nicht mehr der Leistungserbringer die Steuer (wie normalerweise üblich) sondern der Leistungsempfänger schuldet sie.

Was bringt diese Regelung?

Ziel dieser Regelung ist kurz gesagt, das Thema Steuern bei grenzüberschreitenden Leistungen einfacher und simpler zu gestalten. Es geht hier vor allem um die Vereinfachung der Abfuhr der Steuer (ich als Auftraggeber kann die Steuern in meinem Land abführen und muss mich nicht mit ausländischen Steuergesetzen herumschlagen). Andererseits wollen die Behörden damit Umsatzsteuerbetrug verhindern, zum Beispiel durch den sogenannten „Karusellbetrug“. Hier wird kurz erklärt die Umsatzsteuer nur „erfunden“ und von einem Land ins nächste geschoben, ohne dass sie je tatsächlich abgeführt wird. Die Folge hieraus ist ein Steuerbetrug in Millionenhöhe. Genau dies wird durch die Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens verhindert, weil es einen Abfluss ohne Zahlung unmöglich macht.

Gesetzliche Grundlage

Auch wenn dieses Thema manche für trocken empfinden – Wissen ist Macht. Und für Sie als Auftraggeber ist es wichtig, zu wissen, ob die Ihnen vorgelegten Rechnungen auch formal und steuerlich korrekt sind. Also schauen wir uns das mal kurz genauer an:
Innerhalb der Europäischen Union regelt die sogenannte „Mehrwertsteuer-Systemrichtline“ sämtliche Belange in diesem Kontext. Die Artikel 194–199a & 199b ermöglichen den Mitgliedsstaaten, die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger zu übertragen (Reverse Charge). Wichtig ist jedoch, dass die nationale Umsetzung in jedem EU-Mitgliedsstaat leicht variiert, daher muss zuerst geprüft werden in welchem Land die Steuer nun abgeführt werden muss. Hier gilt grundsätzlich das Leistungsortprinzip – also muss die Steuer dort abgeführt werden, wo auch die Leistung ausgeführt wird.

Dunkle Rechenmaschine mit langem Papierstreifen auf rosafarbenem Hintergrund – Symbol für Buchhaltung und Reverse-Charge-Verfahren

Symbolbild © Adobe Stock: Reverse Charge erklärt – Rechnungen ohne Umsatzsteuer richtig verstehen.

Reverse Charge in der Praxis

  1. Leistungsort DEUTSCHLANDIn Deutschland wird die Umkehr der Steuerschuld durch § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG) geregelt.
    Reverse Charge ist typisch bei Bauleistungen, Gebäudereinigung, die Lieferung von bestimmten Waren (wie zum Beispiel Mobiltelefone, Tablets, Spielekonsolen oder integrierte Schaltkreise ab 5.000 €) sowie die Lieferung von Energie und bestimmter Edel- und Altmetalle. Außerdem – und dieser Fall greift sehr häufig – bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen zwischen zwei Unternehmen (B2B innerhalb der EU).Eine detaillierte Ausführung zum Thema Steuerschuldnerschaft finden sie auf der Website des Landes Niedersachsen:
    LINK Land Niedersachsen
  2. Leistungsort ÖSTERREICHIn Österreich kommt hier der § 19 Abs. 1a UStG 1994 zur Anwendung. Die häufigsten Praxisfälle sind hier Bauleistungen und Bauwerksreinigung, die Lieferung bestimmter Abfall- und Schrottarten, Telekommunikationsdienstleitungen und elektronische Dienstleistungen sowie Rechnungen zwischen österreichischen Unternehmen und ausländischen Subfirmen.Weitere Infos hierzu finden Sie auf der offiziellen Seite der Republik Österreich:
    LINK Unternehmensservice Portal

Voraussetzungen für Reverse Charge – und wann gilt Reverse Charge nicht?

Damit das Reverse Charge verfahren korrekt angewendet werden kann, müssen beide Vertragsparteien Unternehmer mit einer gültigen UID Nummer sein (nur für B2B-Geschäfte).

Wenn Privatpersonen Leistungen in Anspruch nehmen oder beide Unternehmer im selben Land tätig sind und die Leistung nicht unter § 13b/§ 19 Abs. 1a fällt oder der Leistungsempfänger keine gültige UID Nummer besitzt, fällt diese Regelung flach.

Die Rechnung wird gestellt – was ist jetzt konkret zu tun?

Die Leistung wurde nun – hoffentlich zur Zufriedenheit aller – erbracht und nun geht es an die Rechnungslegung. Was müssen beide Parteien nun konkret beachten?

Schritt 1: Rechnungsstellung durch den Leistungserbringer

Der Leistungserbringer (zum Beispiel der Subunternehmer) kontrolliert zu allererst, dass von beiden Parteien die gültigen UID Nummern auf der Rechnung angegeben sind. Sofern dies stimmt, stellt er die Rechnung ohne Umsatzsteuer aus (0% Steuer) – jedoch mit einem Vermerk auf das Reverse Charge Verfahren.
Hinweissatz Beispiel: Die Steuerschuldnerschaft geht unter Berücksichtigung des Reverse Charge Verfahrens auf den Leistungsempfänger über (§ 13b UStG Deutschland / § 19 Abs. 1a UStG 1994 Österreich).

Schritt 2: Abfuhr der Steuer durch den Leistungsempfänger

Der Auftraggeber wird sicherstellen, dass alle Angaben auf der Eingangsrechnung korrekt sind – Vorsorge ist besser als Nachsorge. Danach muss er die Umsatzsteuer für sich berechnen (hierzu einfach den aktuell gültigen Steuersatz auf den Nettobetrag der Rechnung anwenden) und führt die Steuer an das zuständige Finanzamt ab. Dies passiert im Zuge der Umsatzsteuervoranmeldung.
Pro-Tipp 1: sofern der Auftraggeber zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, kann er die berechnete Steuer als Vorsteuer abziehen.
Pro-Tipp 2: Achtung, wenn die UID-Nummer ungültig ist, kann es schnell teuer werden. Das Finanzamt kontrolliert solche Fälle gerne auch rückwirkend.

Schritt 3: die UVA in der Buchhaltung

In der Umsatzsteuervoranmeldung muss der Leistungsempfänger den betreffenden Nettobetrag in dem dafür vorgesehenen Feld unter „Leistungen nach § 13b UStG“ (DE) bzw. „Reverse-Charge-Umsätze“ (AT) eintragen. Gleichzeitig wird dieser Betrag bei der Vorsteuer geltend gemacht. Dieser Vorgang ist somit steuerneutral.
Pro-Tipp: verwenden Sie die Kennziffer 64 (für Deutschland) oder die Kennziffer 057 (für Österreich).

Die häufigsten Fragen zum Reverse Charge Verfahren kompakt im Überblick – unser FAQ von SUBAUFTRAG:

  1. Wann gilt das Reverse-Charge Verfahren?
    Beide Parteien sind Unternehmer und haben eine gültige UID Nummer. Die Leistung gehört zu einer der gesetzlich genannten Kategorien (z.B. Bauleistungen oder bestimmte grenzüberschreitende Dienstleistungen).
  2. Was muss auf einer Reverse-Charge Rechnung stehen?
    Die UID Nummer vom Auftraggeber, die UID Nummer vom Auftragnehmer sowie ein kurzer Satz/Hinweis auf Reverse-Charge.
  3. Kann ich prüfen, ob eine UID-Nummer gültig ist?
    Ja, dies klappt am besten über das offizielle EU-Portal VIES:
    https://ec.europa.eu/taxation_customs/vies/#/vat-validation
  4. Gilt Reverse Charge auch für Privatpersonen?
    Nein, es gilt ausschließlich für Geschäfts zwischen Unternehmen (B2B).
  5. Gibt es Reverse Charge auch bei Bauleistungen im Inland?
    Ja, zum Beispiel wenn Bauunternehmen untereinander Leistungen abrechnen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG / § 19 Abs. 1a UStG 1994).
  6. Wie lange muss ich Belege zum Reverse-Charge Verfahren aufbewahren?
    Bitte bewahren Sie diese Belege (vor allem die Rechnungen und UID-Nachweise) 10 Jahre auf.
  7. Auf welcher Sprache muss der Reverse-Charge Hinweis auf der Rechnung stehen?
    Hier gibt es keine eindeutige Vorschrift. Wir empfehlen, dass dieser zur besseren Verständlichkeit und Lesbarkeit auf Deutsch oder Englisch aufgedruckt wird.

 

Auch wenn das Reverse-Charge Verfahren anfangs kompliziert wirken mag, ist es doch im Grunde eine große Erleichterung für beide Seiten. Es ist ein gutes Mittel, um grenzüberschreitende Leistungen steuerlich korrekt und vor allem sicher abzuwickeln.

Sofern beide Seiten – also Auftraggeber und Subunternehmer – informiert sind, ist alles sauber und klar. Da das nicht immer der Fall ist, helfen Ihnen unsere Expert:innen bei SUBAUFTRAG gerne weiter.

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